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Kolloquium
Geschichte und Politik im Dialog – Projekte am HAIT

Organisation: Dr. Francesca Weil und Hannah Heyden
24.04.2025 (von 11:10 Uhr bis 10.07.2025 - bis 12:40 Uhr)
R.150a, Zeuner-Bau, TU Dresden, George-Bähr-Straße 3c

Beschreibung der Veranstaltung

In diesem Sommersemester möchten wir neue Projekte und Forschungen des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung e.V. an der TU Dresden in den Mittelpunkt der Kolloquiums-Reihe stellen. Das Kolloquium in diesem Sommersemester widmet sich daher dem Thema „Geschichte und Politik im Dialog – Projekte am HAIT“. Im Kolloquium werden verschiedene Mitarbeiter:innen des Instituts ihre Projekte im Bereich der Geschichtswissenschaft und Politikwissenschaft vorstellen, wobei sämtliche Projekte einen sozialgeschichtlichen Schwerpunkt haben. Was verbindet die in thematischer Hinsicht sehr unterschiedlich gelagerten Vorträge dieser Reihe? Die Vorträge bewegen sich zwischen den Themenfeldern Nationalsozialismus, Rechtsextremismus und Transformation und befassen sich in ihrer Gesamtheit mit Diktaturen und Demokratien sowie mit deren Übergängen.


Alle Termine

24. April 2025 | Christoph Hanzig
Publizistische Avantgarde einer neuen Zeit oder unbegabte Schreiberlinge – Eine gruppenbiographische Analyse der sächsischen NS-Journalisten
Zum Verhältnis von Engagement und Objektivität
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Zwischen 1933 und 1945 hatten die Nationalsozialisten die deutsche Presselandschaft fest in ihrer Hand, da ihnen die zentrale Bedeutung der Presse als Instrument der Informationslenkung bewusst gewesen ist. Unliebsame Zeitungen wurden verboten und Journalisten aus dem Beruf gedrängt, deren Loyalität zum NS-Staat in Frage stand. Bis 1945 blieben nur die NS-Blätter und ehemalige bürgerliche Zeitungen bestehen. Besonders förderte der NS-Staat die eigenen Parteizeitungen, deren Redakteure Vorbilder eines neuen Berufsverständnisses sein sollten. In den Jahrzehnten nach dem Krieg bemühten sich viele Journalisten, die ihren Beruf auch während der NS-Zeit ausgeübt hatten, sich von den NS-Schriftleitern zu distanzieren. Jene wären die überzeugten Propagandisten gewesen, während man selbst die eigentlichen Botschaften „zwischen den Zeilen“ versteckt hätte. Außerdem versuchte man sich fachlich von den NS-Kollegen abzuheben, indem diese häufig als mäßig befähigte Schreiber dargestellt wurden. Auch die historische Forschung nahm diese Erzählung immer wieder auf. Empirische Belege für diese Annahme fehlten jedoch weithin.

Anhand einer Betrachtung der für ein Ressort verantwortlichen Redakteure der sächsischen NS-Presse soll geprüft werden, ob die These der wenig begabten NS-Schriftleiter einer gruppenbiografischen Untersuchung standhalten kann. Der Vortrag präsentiert Zwischenergebnisse aus dem Dissertationsprojekt von Christoph Hanzig. Im Mittelpunkt stehen dabei die Ausbildung sowie die berufliche Erfahrung der Journalisten vor ihrem Eintritt in die Parteipresse und ihre Aktivität danach. Abschließend erfolgt ein Ausblick auf die Karrierewege der sächsischen NS-Journalisten nach 1945.

8. Mai 2025 | Maximilian Kreter
„Eines Tages werden sie sich wünschen, wir würden nur Musik machen“. RechtsRock-Texte im Wandel der Zeit von 1977 bis 2017
Zum Verhältnis von Engagement und Objektivität
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Im Schatten der AfD, rechtsterroristischer Gruppen, rassistischer Gewalt, der Querdenken-Bewegung und der Normalisierung der extremen Rechten insbesondere in den letzten fünf Jahren, trat rechtsextreme Musik („RechtsRock“) in der öffentlichen Wahrnehmung mehr in den Hintergrund, als dies noch in der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre oder in den 1990er-Jahren der Fall war. RechtsRock entstand Ende der 1970er-Jahre in Großbritannien und verbreitete sich ab Anfang der 1980er-Jahre von dort vorrangig in den USA und Europa, wobei Deutschland in West und Ost schnell eine Hochburg wurde. Ein Jahrzehnt später, in den 1990er-Jahren wurde Rechtsrock wahlweise die „Begleitmusik zu Mord und Totschlag“ (Weiss 2004) oder zum „Soundtrack der Baseballschlägerjahre“ (Schulze 2022), als in Deutschland (rassistische) Gewalt flächendeckend vorwiegend gegen Migranten und Flüchtlinge, aber auch andere marginalisierte Gruppen verübt wurde. In den 2000er-Jahren radikalisierte und professionalisierte sich die Szene und suchte den Anschluss an eine breitere rechtsextreme Bewegung, die im Übergang zu den 2010er-Jahren zu einer relativen Popularisierung und Normalisierung der Musik führte.

Doch „warum sich mit RechtsRock-Texten beschäftigen? Reicht es nicht aus, zu wissen, dass es sich um rechtsextremistische Texte handelt? Ist nicht hinlänglich bekannt, für welche Inhalte Nazis stehen?“ (Flad 2002).

Nicht die Musik, sondern die Texte definieren RechtsRock. Sie unterliegen Veränderungsprozessen, angestoßen durch gesellschaftliche Entwicklungen, Veränderungen der Szene und Reaktionen auf Verbote sowie strafrechtliche Verfolgung. Doch wie haben sich die Texte genau entwickelt? Gibt es thematische „Dauerbrenner“? Und wie werden die eigentlichen Kernbotschaften unter fortschreitendem juristischem Druck vermittelt?

15. Mai 2025 | Nicole Husemann, Franziska Naether, Marc-André Weibezahn, Sophie Seeliger
DIKUSA-Projekt: Aus, nach und innerhalb von Deutschland migrierte Frauen – Aufbau einer erfahrungsgeschichtlichen Wissensbasis
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Im seit 2020 am HAIT etablierten Migrierte-Frauen-Projekt (Webseite) werden Ursachen und Motive von Migration inklusive Flucht in den Blick genommen und anhand der klassischen drei Phasen der Migration die Situation der Frauen in den jeweiligen Herkunftsländern, die Erfahrungen während der Migration, die Integration in den Ankunftsländern und das Verhalten der Aufnahmegesellschaften in erfahrungsgeschichtlicher Perspektive untersucht. Das Schlüsselthema einer gender-bewussten Migrationsforschung, das in diesem Projekt im Mittelpunkt steht, ist u.a. die Frage nach den emanzipatorischen Auswirkungen, die sich für Frauen aus der Migration ergeben.

Im DIKUSA-Teilprojekt untersuchen wir speziell, inwiefern und unter welchen Bedingungen die Migration für Frauen berufliche und andere Chancen eröffnete, die sie in ihren Heimatländern in diesem Maße nicht gehabt hätten und die ihre emanzipatorische Entwicklung vorantrieben, bzw. welche Barrieren und Grenzen dem entgegenstanden. Neben Emanzipationserfahrungen geht es dabei auch um Emotionserfahrungen – wie z. B. Angst, Erleichterung, etc. Hinzu kommen gruppenspezifische Diskriminierungs- und Bedrohungserfahrungen wie Antisemitismus und Rassismus, welche migrierte Frauen erlebt haben.

Entstehen soll eine Webseite, auf welcher der Öffentlichkeit nach Abschluss des Projektes Ende 2025 u. a. drei interaktive Karten zur Flucht von Jüdinnen während der NS-Zeit präsentiert werden sollen, um auf der Basis von Interviews ihre Fluchtrouten, Entscheidungen für bestimmte Wege und Lebensgeschichten darzustellen.

Wir richten uns damit an ein breites Publikum: Forscherinnen und Forscher, die auf der Karte Verbindungen und damit Stoßpunkte für neue Forschungsunternehmen eruieren können; Museen, welche ihren Besucherinnen und Besucher den Zusammenhang von Flucht aufgrund von ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit und Geschlecht näherbringen wollen, sowie an andere Interessierte, die auf der Webpräsenz der Karten einen Eindruck der Daten bekommen wollen.

Zum intensiven Nachlesen: Blog-Beitrag „Aus, nach und innerhalb von Deutschland migrierte Frauen (1918–2018). Interdisziplinäre Analysen“ Saxorum Blog, erschienen am 12.3.2024
Mehr zu DIKUSA auf der Webseite des Projekts

5. Juni 2025 | Erik Zignaigo
The reaction of the Italian and German radical right to democracy protection measures after the 2009 European debt crisis: a comparative case study
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This presentation is going to show the first results of the doctoral research started in September 2022.

After the 2009 economic crisis, new radical right parties and new party leaderships increasingly gained electoral support and used it to put into question the foundations of liberal democracy. In response to that, the Italian and German states implemented several actions of democracy protection. From here, the research question: how did the Italian and German radical right parties react to these measures after the 2009 European debt crisis? The doctoral thesis consists of three parts.

First, a theoretical grounding was assumed to give consistency and scientific depth to the whole research. It consists of a selected summary and reworking of the available scientific literature concerning three main concepts: democracy, political extremism, and militant democracy.

Second, the dissertation worked on the selection of radical right parties: Lega, Fratelli d’Italia, and Alternative für Deutschland. Additionally, a total of ten democracy protection measures (ten for each country) were selected inside the research time window.

Third, for each selected democracy protection measure, the behavior of the selected parties is observed along all its progression phases. The results are going to be used for mainly two purposes. On the one hand, this dissertation will contribute to the not yet fully explored field of the comparative study of militant democracy. On the other hand, the coming results will help to enrich the definition of political extremism, adding its (expectedly negative) attitude towards democracy protection measures as one of its distinctive traits.

12. Juni 2025 | Teresa Lindenauer
Sächsische Ehrenamtsbiografien: Neue Perspektiven auf die Transformationsgesellschaft nach 1990
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Der Vortrag stellt aktuelle Teilergebnisse aus dem Projekt „Lebensalter und digitaler Wandel“ (Koord. Maren Hachmeister) am HAIT vor. Das „Lebensalter“-Projekt ist ein qualitativ-empirisches Forschungsprojekt im Bereich der sozialen Transformationsforschung. Es erhebt die Erfahrungen von Menschen, die in Sachsen zwischen den 1980er Jahren und heute ehrenamtlich aktiv waren, in biografischen Interviews.

Der Systemwechsel veranlasste weitreichende gesellschaftliche Transformationen, die lange Zeit vor allem als erfolgreiche Einheitsgeschichte oder misslungene Ungleichheitsgeschichte erzählt wurden. Im Zuge des Erstarkens neuer rechter Bewegungen kam in jüngster Vergangenheit eine kritische Beleuchtung ostdeutscher Einstellungen und vermeintlicher (Demokratie-)Defizite hinzu. Aktuelle dominante Narrative können hier weder die Transformation als solche noch die Formierung der Erinnerung und Formulierung der Konsequenzen durch Beteiligte differenziert abbilden. Stattdessen können Untersuchungen auf der Lokalebene Beteiligte dieser Transformation in ihrem Wirkungsraum analysieren und ihren Umgang mit vielfältigen Herausforderungen beleuchten. Alltags- und Lebensgeschichten spielen hier eine wichtige Rolle und bieten den Zugang zu Nuancen der Auswirkungen des Systemwandels. Die Erinnerungen und Identitäten von Engagierten bieten ein differenziertes Bild eines Umbruchs- und Vereinigungsprozesses, der bis in die Gegenwart wirkt und das Handeln der ehrenamtlich Tätigen sowie ihr Umfeld weiterhin prägt. Aus zeitgeschichtlicher Perspektive ist es somit möglich, biografische Prozesse mit dem Ehrenamt in Beziehung zu setzen, welches Wissenstransfer und politisches Handeln in Form von Selbstorganisation während gesellschaftlicher Transformation vereint.

19. Juni 2025 | Agnes Arndt
Kindeswohl. Eine Sozial- und Kulturgeschichte der politischen Ökonomie von Fürsorge im 20. Jahrhundert
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3. Juli 2025 | Elisabeth Oertel
Werkstattbericht: Pro-demokratisches Engagement im Umwelt- und Naturschutz
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Klima, Umwelt und Natur sind ein umkämpftes Feld politischer Mobilisierung. Rechtsaußen-Parteien haben das Themenfeld längst für sich entdeckt und kämpfen gegen Windräder, für den Wald und gegen die vermeintliche „Klimahysterie“. Dabei ergeben sich Berührungspunkte mit dem organisierten Umwelt- und Naturschutz: Es kommt zu Interventionen und – in der Antwort – zu Distanzierungen, Selbstpositionierungen und Bekenntnissen zur Demokratie.

Die Dissertation, angesiedelt in der BMBF-Nachwuchsforschungsgruppe REXKLIMA, dreht die Perspektive um: Wie und warum engagieren sich Umwelt- und Naturschutzorganisationen für demokratische Werte, die außerhalb ihrer Kernthemen liegen? Was sind innere und äußere Motivationen? Welche Zusammenhänge gibt es zu historischer Entwicklung, aktueller politischer Situation und gesellschaftlichen Problemlagen?

Im Kolloquium gibt Elisabeth Oertel einen Einblick in das laufende Projekt, das über Interviews mit Aktivist:innen in verschiedenen europäischen Ländern vergleichende Antworten geben will und Perspektiven von Intersektionalität, Klimagerechtigkeit und Geschichtsbewusstsein einbezieht.

10. Juli 2025 | Josephine Templer
Sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und Frauen im 20. Jahrhundert. Am Beispiel medizinischer und fürsorgender Institutionen
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Sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist nicht nur ein gesellschaftliches, sondern auch ein institutionelles Problem. Besonders in medizinischen und fürsorgenden Einrichtungen – beispielsweise psychiatrischen Anstalten, Venerologischen Stationen (sogenannte Sozialheime), Kinder- und Pflegeheimen sowie in der Geburtshilfe – wurden Frauen und Mädchen systematischer Gewalt, Zwangsmaßnahmen und Missbrauch ausgesetzt. Diese Gewaltformen wurden oft durch medizinische Autoritäten legitimiert und blieben lange im Verborgenen.

Es wird untersucht, wie medizinische und fürsorgende Institutionen zu Räumen der Gewalt wurden, welche Rolle moralische Wertvorstellungen sowie ideologische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskurse spielen. Außerdem soll betrachtet werden, wie Betroffene, die Gesellschaft sowie die Institutionen mit diesen Verbrechen umgingen.

Der Vortrag stellt den Ausgangspunkt für meine Dissertation dar, in der die institutionellen Mechanismen der sexualisierten Gewalt und ihre langfristigen Auswirkungen detaillierter untersucht werden sollen. Ziel ist es, zur historischen Aufarbeitung beizutragen und Impulse für aktuelle Debatten über institutionelle Gewalt und den Schutz vulnerabler Gruppen zu geben.


Information zur Teilnahme finden Sie bitte beim einzelnen Termin.

Diese Maßnahme ist mitfinanziert durch Steuermittel auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts.

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Titel der Veranstaltung mit Silhouette von Hannah Arendt

Hannah Heyden