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Workshop der AG „Stätten der NS-Zwangsarbeit in Sachsen”

07/06/2024

Am 7. Juni hat sich eine kleine Gruppe von Expert:innen am HAIT getroffen, um gemeinsam über die Entwicklung eines Forschungsprojekts zur besseren Erfassung und visuellen Darstellung von Stätten der Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus in Sachsen zu beraten. Veranstaltet wurde der Workshop von der AG „Stätten der NS-Zwangsarbeit in Sachsen”, die seit 2020 die systematische Vernetzung der behördlichen, wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bemühungen, Aktivitäten und Initiativen vorantreibt. Mitglieder sind das Landesamt für Archäologie Sachsen (LfA), die Stiftung Sächsische Gedenkstätten (StSG), die Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig (GfZL), die sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (sLAG), das Landesamt für Denkmalpflege (LfD) und das HAIT.

Die Zwangsarbeit war ein alltägliches und in allen wirtschaftlichen Bereichen während des Nationalsozialismus verbreitetes Phänomen, von dem viele Menschen profitiert haben. Trotz der einstigen Allgegenwärtigkeit von Arbeitsstätten wie der Unterbringungen und der täglichen Arbeitswege der Zwangsarbeiter:innen, ist davon heute vielerorts kaum etwas sichtbar. Spuren und bauliche Relikte werden oft nicht als Zeugnisse der Zwangsarbeit erkannt und ihr Wert als Denkmal, das entsprechend dokumentiert und gegebenenfalls geschützt werden muss, kann nicht belegt werden. In den vergangenen Jahren konnten hier von Seiten der zuständigen Ämter, andererseits durch die wissenschaftliche Bearbeitung der Überlieferungen und die Entwicklung von Konzepten zur Einbeziehung der Thematik in die Entwicklung von Gedenkstätten und in besonderer Weise durch das zivilgesellschaftliche Engagement von Initiativen, Vereinen und einzelnen Bürger:innen erhebliche Fortschritte erreicht werden. Auf vielfältige Weise wurden und werden Informationen gesammelt und über online verfügbare Kartierungen und Informationsangebote öffentlich gemacht. Können somit bestimmte Themen regional bereits gut erfasst werden, gibt es andererseits große thematische und räumliche Lücken. Es bedarf Vorkenntnisse, um aus den jeweils eigenen Kategorisierungen der einzelnen Anbieter von online-Kartierungen ein zusammenhängendes Verständnis zu entwickeln. So ist etwa nur schwer zu beurteilen, wo heutige Schwerpunkte von Informationen auch mit einer einstigen besonderen räumlichen Verdichtung von Stätten der Zwangsarbeit korrelieren. 

Abhilfe soll die Entwicklung eines gemeinsamen Zugangs zu den verschiedenen Angeboten bieten, bei dem der Fokus auf einer Annäherung über die räumliche Verbreitung liegen und die somit niederschwellig Überblick über die bisher erfassten Nachweise von NS-Zwangsarbeit geben sollte. Im halbtägigen Workshop wurden daher im ersten Themenblock Fallbeispiele der aktuellen einzelnen Portale und Kartierungen vorgestellt, sowie Beispiele für Konzepte und Realisierungen vergleichbarer Vorhaben gezeigt. Eingeladen waren zum einen Expert:innen, die an unterschiedlichen thematisch zugehörigen oder verwandten Projekten arbeiten, zum anderen ExpertInnen aus dem Bereich der Computergrafik und der Datenzusammenführung in Einrichtungen des kulturellen Erbes.

Der zweite Themenblock des Workshops war auf die Arbeit von zwei Gruppen ausgelegt. Eine Gruppe unter der Moderation von Thomas Widera (Fellow des HAIT) hat sich der Frage zugewandt, welche Daten, Datenformate und -strukturen für eine gemeinsame Kartierung der Projekte zusammengeführt werden müssten und wo semantische, strukturelle und technische Herausforderungen der Interoperabilität vorliegen. Als sehr produktiv hat sich dabei die Zusammensetzung der Gruppe erwiesen, die so die inhaltliche Komplexität, die technische Umsetzbarkeit und die Frage nach Austauschformaten jeweils kompetent diskutieren konnte. Die zweite Gruppe hat gemeinsam die Möglichkeiten einer Finanzierung dieses herausforderungsvollen Vorhabens durch Drittmittel und Haushaltsmitteln erörtert. Strukturiert durch die Moderation von Birgit Sack (Gedenkstätte Münchner Platz) gelang eine rasche Fokussierung auf erfolgsversprechende Vorgehensweisen und eine Roadmap für die weiteren Schritte entwickelt.

Beide Gruppen stellten ihre Ergebnisse im anschließend im Plenum zur Diskussion, um die Ergebnisse weiter zu schärfen. Der Workshop ist von einer intensiven inhaltlichen Zusammenarbeit bestimmt gewesen und wurde von verschiedenen Teilnehmer:innen im Nachgang als sehr gewinnbringend und gelungen gelobt.

Nach Ansicht der Veranstalter:innen war eine der Voraussetzungen dafür die interdisziplinäre Zusammensetzung. Eine andere aber die von der AG seit betriebenen Vernetzungstreffen. Sie haben sich in kürzester Zeit als gemeinsames Forum etabliert, das auch über Sachsen hinausgreift und Kooperation mit dem Institut für Archäologie an der CAS in Prag steht. Das nächste Vernetzungstreffen ist für den Oktober 2024 in Ústí nad Labem geplant.

Programm

10:00–10:15 Begrüßung und Einführung
Jonas Kühne (sLAG), Anne Klammt (HAIT)

10:15–11:45 Kurze Impulse und Vorstellunsgrunde
Impulse mit Projekteinblicken

  1. Anke Binnewerg (Zeitformen)
  2. Daniel Ristau
  3. Alina Gündel (gedenkplaetze.info, AKuBiZ)
  4. Isabel Panek und Josephine Ulbricht (Gedenkstätte Zwangsarbeit für Leipzig)
  5. Markus Wacker und Jonas Bruschke (HTWD, Computergrafik)
  6. Martin Munke und Dominik Stoltz (SLUB Dresden)
  7. Michael Thoß (HAIT)
  8. Bettina Bruschke (HTWD, Geoinformatik)
  9. Michael Strobel (Archäologisches Landesamt)
  10. Sven Riesel (STSG)
  11. Jonas Kühne (sLAG)
  12. Birgit Sack (Gedenkstätte Münchner Platz)
  13. Jan Hasil (Institut für Archäologie der CAS, Prag)

12:30–14:20 Möglichkeiten und Voraussetzungen für eine projektbezogene Förderung
Diskussion in zwei parallelen Gruppen (45 min.)

  • A.) Datenvernetzung (Moderation: Thomas Widera)
  • B.) Projektantrag - Drittmittel (Moderation: Birgit Sack)
  • Ergebnispräsentation der Gruppen im Plenum und Austausch
  • 14:20–14:30 Abschluss
    Sven Riesel