Antifaschismus und Judenverfolgung
Die „Reichskristallnacht“ als politischer Gedenktag in der DDR
Harald Schmid
(Berichte und Studien 43)
V&R unipress Göttingen, 2004
ISBN 978-3-89971-201-8, 153 Seiten, Preis: 2.500,00 €
Die DDR wollte in der Systemauseinandersetzung mit der Bundesrepublik die bessere, die antifaschistische deutsche Republik sein. Doch die Realität stand zu diesem ideologischen Selbstbild in kontinuierlicher Spannung, denn Antifaschismus wurde in der diktatorisch geprägten Erinnerungskultur machtpolitisch buchstabiert.
Als Beitrag zur kritischen Historisierung des SED-Antifaschismus untersucht der Autor den Umgang mit der NS-Judenverfolgung am Beispiel der öffentlichen Erinnerung an das Novemberpogrom von 1938. Er zeigt die wechselhafte Bedeutung dieses Datums im politischen Gedenkkalender der DDR. So hatte die Pogromerinnerung lange nur einen geringen politischen Stellenwert, zu sehr störte sie das kommunistische Geschichtsbild, in der nicht die jüdischen „Opfer des Faschismus“, sondern primär kommunistische „Kämpfer gegen den Faschismus“ im Mittelpunkt der Gedenkpolitik standen.
Die Studie arbeitet den Wandel der politischen Funktion des Gedenktages und der Akteure des Gedenkens – vor allem des Staates, der Jüdischen Gemeinden und der Evangelischen Kirchen – heraus. War er im Kalten Krieg ein propagandistisches Mittel der SED zur deutschlandpolitischen Funktionalisierung, so wurde er im letzten Jahrzehnt der DDR wesentlicher Teil der langsamen und aus unterschiedlichen Interessenlagen motivierten, übergreifenden geschichtspolitischen Öffnung. Am Ende kam dies nicht nur einer informellen Neudefinition des Antifaschismuskonzepts nahe, sondern markierte im Kontext der am 50. Jahrestag 1988 in beiden Teilen Deutschlands zu beobachtenden singulären Welle des Gedenkens gewissermaßen den erinnerungskulturellen Vorschein des 9. November 1989.