Projektstart Januar 2023
02/01/23
Unter der Leitung von PD Dr. Udo Grashoff startete das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt "Der lange Schatten der Kollaboration. Vergleichende Perspektiven auf den Umgang mit ehemaligen kommunistischen und sozialdemokratischen V-Leuten der Gestapo nach dem Zweiten Weltkrieg in Ost- und Westdeutschland und Österreich".
Das Projekt nutzt sowohl die komparative als auch die verflechtungsgeschichtliche Herangehensweise. Damit ergibt sich die Möglichkeit zu einer tiefergehenden Analyse. Erst wenn man alle Nachfolgestaaten des NS-Staates in Betracht zieht, und wie diese Staaten aufeinander reagiert haben, kann man den Umgang mit Gestapo-Kollaborateuren fundiert einordnen.
Die Untersuchung geht in drei Schritten vor.
- Vergangenheitsbezug: Bisherige Studien, etwa zu kommunistischen Parteisäuberungen, haben auf politisch motivierte Verfahren fokussiert, wobei Verurteilungen von Agenten und Verrätern oft als Überreaktionen erschienen. Eigene Recherchen deuten jedoch darauf hin, dass (im Kontrast zu den generell oft fragwürdigen Methoden der internen Parteisäuberung) die meisten Vorwürfe der Spitzeltätigkeit für die Gestapo berechtigt waren. Um ein tieferes Verständnis dieses Teilaspekts der Kampagnen um die „Reinheit der Partei“ zu ermöglichen, soll die Untersuchung mit eingehenden Recherchen zur Vorgeschichte kombiniert werden. Dadurch kann in einem ersten Analyseschritt das Ausmaß an Aufklärung bzw. Verschleierung von Episoden der Kollaboration mit der Gestapo in kommunistischen und sozialdemokratischen Parteien in allen drei Staaten bestimmt werden.
- Zeitgenössische Bezüge: Um den wechselhaften Umgang mit Gestapo-Kollaboration zu verstehen, müssen verschiedene innen- und außenpolitische Faktoren (Entwicklungsprozesse der Parteien in den drei Staaten, politische Strukturen, Verlauf der Entnazifizierung, Konflikte des Kalten Krieges) berücksichtigt werden. Vergleich und
- Verflechtungsgeschichte: Das Thema verbindet insbesondere die Geschichte Ost- und Westdeutschlands. Ehemalige V-Leute der Gestapo mussten sich hier trotz verschiedener politischer Systeme der eigenen Vergangenheit stellen. Die vergleichende Perspektive und die Analyse von Kontroversen soll helfen, den konkreten Umgang mit Einzelfällen (sofern das eine Rolle gespielt hat) auch als Resultat transnationaler Kommunikation zu verstehen. Österreich hat als Bezugspunkt mutmaßlich eine geringere Rolle gespielt, ist aber nichtsdestotrotz von zentraler Bedeutung für einen Vergleich, da, so die vorläufige Arbeitshypothese, der Umgang mit Kollaborateuren zunächst eher dem in der Sowjetischen Besatzungszone/DDR ähnelte.