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Staatliche Verfolgung Homosexueller in Sachsen 1933–1968

Diktaturforschung / Forschungsfeld
Herrschaft und Gesellschaft / Forschungsschwerpunkt 
04.2018–12.2020 / Laufzeit (Projekt abgeschlossen)
Dr. Clemens Vollnhals / Koordination

AKTUELLES

Der Tagungsbericht zum Workshop "Homosexuellenverfolgung im regionalen Vergleich" ist online

23.09.2019


Im Rahmen des Forschungsprojektes zur Homosexuellenverfolgung in Sachsen 1933-1968 veranstaltete das Hannah-Arendt-Institut am 6. und 7. September 2019 einen Workshop. Thema waren die regionalen Unterschiede der Verfolgungspolitik während der NS- und der Nachkriegszeit und die Folgen für die Lebenssituation Homosexueller. Renommierte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland präsentierten ihre Forschungsergebnisse und diskutierten aktuelle Forschungsfragen. Im Zentrum stand dabei der Vergleich von Verfolgung und Alltag in eher urban und eher ländlich geprägten Regionen. Dabei wurde deutlich, dass die Verfolgungsintensität in Großstädten tendenziell höher war als auf dem Land, was nicht nur mit dem mutmaßlich höheren Bevölkerungsanteil Homosexueller in urbanen Regionen zu erklären ist.
Den Tagungsbericht zum Workshop „Homosexuellenverfolgung im regionalen Vergleich“, der am 6. und 7. September am Hannah-Arendt-Institut abgehalten wurde, finden Sie hier.

PROJEKTBESCHREIBUNG

Ziel des Forschungsvorhabens ist die wissenschaftliche Aufarbeitung der staatlichen Verfolgung Homosexueller in Sachsen in den Jahren der NS-Diktatur und unter dem DDR-Regime bis zur Aufhebung des § 175 StGB im Jahr 1968. Die nationalsozialistische Verfolgungspolitik ist bislang nur lückenhaft aufgearbeitet, zu Sachsen gibt es noch keine Studie. Weitgehend unerforscht ist die Situation in der Nachkriegszeit, hier wird die Studie Pionierarbeit leisten.

Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die strafrechtliche Verfolgung. Mit Sachsen wird die regionale Umsetzung in einem Flächenland in den Fokus gerückt: die Unterschiede zwischen Stadt und Land, die Rolle von Polizei, Justiz und Bevölkerung sowie – nicht zuletzt – die der Betroffenen selbst. Im ersten Teil geht es um die NS-Zeit: Mit welchem Elan setzten die Verfolgungsbehörden den 1935 massiv verschärften § 175 durch, der die „Unzucht“ unter Männern mit Gefängnis bedrohte? Welche Bedeutung hatte der neu geschaffene § 175a? Wie viele Homosexuelle wurden verurteilt? Wie hoch war der Anteil derjenigen, die in Konzentrationslager verschleppt und dort zu Tode gequält wurden? Wie reagierte die Bevölkerung und welche Spielräume gab es – trotz alledem – für homosexuelles Leben?

Der zweite Teil beleuchtet die Situation zwischen 1945 und 1968. Ein Schwerpunkt wird bei den langwierigen Debatten um eine Entschärfung des § 175 und den letztlich erfolglosen Bemühungen um eine Rehabilitierung homosexueller NS-Opfer gesetzt. Darüber hinaus geht es um die Auswirkungen des § 175 auf das Alltagsleben Homosexueller in den 1950er und 60er Jahren. Wie entwickelte sich die Rechtsprechung sächsischer Gerichte nach der Entscheidung des Obersten Gerichts der DDR vom 28. März 1950, das die „Neufassung“ des § 175 aus dem Jahr 1935 als „nazistisch“ verwarf und die mildere „Weimarer Fassung“ wieder in Kraft setzte? Wurde die Verfolgung der Homosexualität unter Erwachsenen tatsächlich eingestellt, wie immer wieder spekuliert wird? Der zweite Teil der Untersuchung zielt darauf, die Kontinuitäten, Brüche und allmählichen Liberalisierungsprozesse im Umgang mit Homosexualität und Homosexuellen nach 1945 – auch im Vergleich zur Situation in der Bundesrepublik – zu untersuchen.

Gesucht werden für das Forschungsprojekt Zeitzeugen, die über das homosexuelle Leben im Sachsen der 1940er, 1950er und 1960er Jahre berichten können. Geplant sind längere Interviews, die auf Tonband aufgezeichnet werden sollen. Als Gesprächspartner gesucht werden nicht nur Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender, sondern auch Freunde, Familienangehörige, Kollegen, Mitarbeiter von Kneipen, der Justiz oder der Polizei, die aus eigener Anschauung über das damalige Klima Auskunft geben können. Auf Wunsch werden die Interviews selbstverständlich anonym durchgeführt.

Von Interesse sind darüber hinaus Fotos und Dokumente, die über die Situation Homosexueller im Untersuchungszeitraum Auskunft geben. Auf manchem Dachboden schlummert vielleicht noch der Nachlass eines homosexuellen Angehörigen. Für die Forschung können solche Funde von großem Wert sein.

Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln
auf Grundlage des von den Abgeordneten des
Sächsischen Landtags beschlossenen Haushalts.

PRJEKTLEITUNG

Dr. Alexander Zinn
Affiliierter Forscher