Das sozialistische Mehrparteiensystem in der DDR. Funktionsweisen und Grenzen der Blockpolitik. Analysen unter besonderer Berücksichtigung der LDPD
Diktaturforschung / Forschungsfeld
Herrschaft und Gesellschaft / Forschungsschwerpunkt
Dr. Thomas Widera / Koordination
PROJEKTBESCHREIBUNG
Das Gesamtprojekt besteht aus den drei Teilprojekten von Tilman Pohlmann (über die LDPD-Bezirksverbände), Michael Thoß (über die LDPD-Funktionäre in den Bezirken Cottbus, Frankfurt/Oder und Potsdam) und Thomas Widera (über die zentralen Parteiinstitutionen). Am Beispiel der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD) analysieren sie die Funktionsweise des vorgetäuschten Mehrparteiensystems in der DDR. Sie gehen der Frage nach, ob angesichts der Monopolstellung der SED alternative Politikentwürfe in administratives Handeln einflossen, auf welchen Handlungsebenen und in welchen Sektoren der Politik diese wirksam wurden. Im Gesamtprojekt werden die Beziehungen zwischen der LDPD und der SED auf verschiedenen Ebenen dargestellt, um die Funktionsmechanismen des politischen Systems in der DDR herauszuarbeiten.
Die Arbeit am Manuskript seiner Studie zur zentralen Parteiebene setzte Thomas Widera fort. Im Fokus seines Teilprojektes steht die Parteiführung der LDPD mit dem Parteiapparat, dem Sekretariat, den Ausschüssen und Kommissionen. Eine Analyse der Zusammensetzung und des Wirkens der Leitungsgremien sowie ihrer Beziehungen zur SED, zum Staatsapparat, zum Ministerium für Staatssicherheit und zu den anderen Blockparteien soll Klarheit darüber schaffen, inwieweit und mit welchen Mitteln es der SED gelang, die zentrale Parteileitung der LDPD auf ihre Politik zu verpflichten und in den „Parteienblock“ einzubinden. Dabei werden die Strategien der SED und die der von ihr als „fortschrittliche Kräfte“ in der LDPD bezeichneten Funktionäre herausgearbeitet, mit denen die LDPD in einem kontinuierlichen Transformations- und Wandlungsprozess in das Bündnissystem der SED integriert wurde. Als dessen integraler Bestandteil war es ihre Aufgabe wie die der anderen Parteien, die variierenden und jederzeit an der SED-Parteilinie orientierten politischen Konzeptionen auf die Ebene der LDPD-Bezirksverbände und von da weiter auf die der LDPD-Kreisverbände und -Ortsgruppen zu übertragen.
Bei seiner Untersuchung des politischen Wirkens der LDPD-Bezirksverbände konzentriert sich Tilman Pohlmann vor allem auf die Rolle der Bezirksvorsitzenden und ihrer Stellvertreter, wobei er deren politisches Gewicht zum einen innerhalb des LDPD-Parteiapparates und zum anderen innerhalb ihrer Bezirke zu ergründen versucht. Er fokussiert dabei die parteiinterne Kommunikation, die verschiedenen Modi der Interaktion dieser wichtigen LDPD-Funktionäre mit den Bezirksleitungen der SED und die Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit. Als dritte wichtige Säule dieses Teilprojektes entstanden im Verlauf des Projektes mehrere Oral-History-Interviews, welche die empirische Basis der Erkenntnisse aus den Aktenrecherchen fundieren und durch persönliche Eindrücke und Sichtweisen ergänzen sollen.
Michael Thoß untersucht in den Bezirken Cottbus, Frankfurt/ Oder und Potsdam die Struktur und Arbeitsweise der LDPD-Kreis- und Ortsverbände und skizziert, wie die Funktionäre der mittleren und unteren Ebenen das alltägliche Leben innerhalb ihres Territoriums gestalteten. Im Mittelpunkt stehen dabei die Umsetzung von Vorgaben der Parteispitze und die Analyse der Parteibasis der Bezirksverbände bezüglich räumlicher Verteilung, Motivation und Mitarbeit in der Partei. Dabei nimmt er auch das Wirken von LDPD-Mitgliedern in den territorialen Administrationen und die Interaktion mit den politischen Leitungen der SED, den staatlichen Organen und dem Ministerium für Staatssicherheit in den Blick.