Die Erschließung der Tageszeitung „Der Freiheitskampf“
Autoren: Christoph Hanzig, Michael Thoß und Sebastian Rab
1. Ausgangssituation
Bei der Erforschung des Nationalsozialismus in Sachsen stehen Historikerinnen und Historiker immer wieder vor einem massiven Quellenproblem, da ein Großteil der Akten durch Kriegszerstörungen und gezielte Aktenvernichtungen der Nationalsozialisten verloren gegangen sind. Das betrifft in besonderem Maße Unterlagen und Dokumente zur NSDAP, ihrer Gliederungen und Organisation sowie der administrativen Mittelbehören, etwa der Amts- und Kreishauptmannschaften. Aufgrund dessen liegt das Wirken der NSDAP und ihrer zum Großteil unbekannten Akteure weitestgehend im Dunkeln. So sind die Gründe und Vorgänge, die zu der erstaunlichen Entwicklung Sachsen von einer Hochburg der Sozialdemokratie zu einem der ambitioniertesten Gaue des nationalsozialistischen Deutschen Reiches geführt hatten, aufgrund dieser Informationslücken nur schwer nachvollziehbar. Da sich in Tageszeitungen als damaliger Hauptinformationsquelle, das politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben der Bevölkerung widerspiegelte, hatte sich das Hannah-Ahrendt-Institut 2009 dazu entschlossen, mittels einer inhaltlichen Tiefenerschließung der sächsischen NS-Tageszeitung „Der Freiheitskampf“ die oben genannten Überlieferungslücken zumindest teilweise zu schließen.
2. „Der Freiheitskampf“ als Quelle für die historische Forschung
Bei der Tageszeitung „Der Freiheitskampf“ handelt es sich um das amtliche Parteiorgan der NSDAP im Gau Sachsen, das vom 1. August 1930 bis zum 8. Mai 1945 erschienen ist. Hervorgegangen ist es aus dem „Sächsischen Beobachter“, der 1929 von den Brüdern Gregor und Otto Strasser gegründet und durch ihren Berliner „Kampf-Verlag“ herausgegeben worden war. Nach dem Parteiaustritt Otto Strassers im Zuge der Flügelkämpfe innerhalb der NSDAP Mitte 1930 und dem damit verbundenen Verlust ihres „Kampfblattes“ sah sich die sächsische NSDAP-Gauleitung um Gauleiter Martin Mutschmann und dessen Stellvertreter Karl Fritsch gezwungen, eine eigene Tageszeitung herauszugeben. Mit der Gründung des „Freiheitskampfes“ im Juli 1930 reihte sich Sachsen in eine reichsweite Entwicklung ein, im Zuge derer in den Gauen zwischen 1930 und 1933 die bis dahin nur wöchentlich erscheinenden Parteiblätter in Tageszeitungen umgewandelt wurden.
Bis Anfang 1933 griff die Tageszeitung im Stile eines typischen „Kampfblattes“ polemisch die politischen und wirtschaftlichen Zustände der sich in einer tiefen Rezession befindlichen Weimarer Republik an. Im Fokus der Angriffe standen hauptsächlich das liberale System der Weimarer Republik mit seinen demokratischen Repräsentanten, „Juden“ sowie der politische Gegner auf der Linken in Gestalt von KPD und SPD. Vor allem während der zahlreichen Wahlkämpfe und der damit verbundenen oft gewalttätigen Auseinandersetzungen in den Jahren 1930 bis 1933 wurden die linken Kontrahenten als „Rotmörder“ diffamiert und im Gegenzug Gewaltexzesse eigener Mitglieder als legitime Notwehr dargestellt.
Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft wandelte sich durch die Funktion des „Freiheitskampfes“ als Mitteilungsblatt sämtlicher Behörden die Charakteristik der Tageszeitung zunehmend. Bereits im Oktober 1932 merkte der Reichspressechef der NSDAP, Otto Dietrich, an, dass mit dem Konzept der „Trommlerpresse“ auf Dauer keine größeren Leserkreise zu erschließen seien. Er plädierte daher für eine Verbesserung der journalistischen Qualität. Dies ist auch am „Freiheitskampf“ nachvollziehbar. Spätestens seit 1933 lässt sich neben einer breiteren regionalen und thematischen Ausrichtung auch eine Mäßigung in der Rhetorik feststellen. Das Blatt wandte sich nun verstärkt an die gesamte Bevölkerung Sachsens und versuchte vor allem die dem Nationalsozialismus distanziert gegenüberstehenden Menschen, etwa aus dem Bürgertum oder der Intelligenz, von der Richtigkeit der nationalsozialistischen Politik und Ideologie zu überzeugen und sie einzubinden. Deshalb bot der „Freiheitskampf“ nun auch ein breites Feld verschiedener Rubriken, die sich an verschiedene Gruppen (Jugend, Frauen, Verwaltungsbeamte) richteten oder über bestimmte Themengebiete (Weltgeschehen, Regionales, Kultur, Wirtschaft, Sport) berichteten. Dass sich die Zeitung in Sachsen zunehmender Beliebtheit erfreute, lässt sich an einem stetig wachsenden Anzeigenteil und den steigenden Auflagenzahlen ablesen. Während die Auflage zum Start im August 1930 5.000 Exemplare betrug, stieg sie bis Januar 1933 auf eine Zahl von rund 58.000. Mit der neuen Funktion als amtliches Bekanntmachungsblatt sowie durch neue Potentiale infolge der repressiven Pressepolitik der Nationalsozialisten, etwa der Übernahme moderner, ehemals linker Druckereien und eine Begünstigung der NS-Presse im Vertriebssystem, konnte der „Freiheitskampf“ weitere LeserInnen hinzugewinnen. So erhöhte man die Auflage bis April 1933 auf 100.000 Exemplare. Bis 1936 pendelte sich die Auflagenzahl auf einen Wert von 200.000 ein.
Aufgrund der thematisch breiteren Aufstellung und der lokalen Ausdifferenzierung hat der „Freiheitskampf“ „eine mehrdimensionale Bedeutung für die Geschichte des Nationalsozialismus und für die Durchsetzung der Diktatur in der Gesellschaft für die Alltags- und Sozialgeschichte, aber auch für die Organisationsgeschichte der NSDAP in Sachsen und für die Verankerung der Partei in der Region“.
3. Die Datenbank
Nach umfangreichen Recherchen in sächsischen Regionalarchiven liegt der Bestand der NS-Tageszeitung mit Ausnahme einiger weniger Ausgaben vollständig vor und wurde von der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB), auf Basis der in den 1990er Jahren angefertigten Sicherungskopien auf Mikrofilm, digitalisiert. Er umfasst insgesamt mehr als 66.000 Blatt. Der allergrößte Teil der Datenbankartikel basieren auf der Grundlage der Dresdner Regionalausgebe des „Freiheitskampfes“, weshalb sich viele Einträge auf die sächsische Landeshauptstadt fokussieren. Aufgrund der unzureichenden Qualität der Digitalisate, war eine OCR-Erfassung zum Zeitpunkt der Digitalisierung leider nicht möglich, sodass sich die Projektgruppe zu einer inhaltlichen Tiefenerschließung der Zeitung entschlossen hat. Da dies einen sehr hohen Arbeitsaufwand erfordert, werden nicht alle Artikel der Zeitung in die Datenbank aufgenommen. Da das Hauptaugenmerk des Projektes auf der Schließung der Informationslücken zum sächsischen Nationalsozialismus liegt, werden nur Artikel mit Bezug auf Sachsen in den Datenbestand übernommen. Die einzige Ausnahme hierzu bilden Artikel die das Sudetenland betreffen. Um die engen Beziehungen zwischen Sachsen und dem angrenzenden sudetendeutschen Siedlungsgebiet in der Tschechoslowakei zu dokumentieren wurden diese Zeitungartikel in einer gesonderten Kategorie in der Datenbank verzeichnet.
In der auf SQL-Basis arbeitenden Datenbank werden neben den Metadaten (Überschrift, Datum, Ausgabe usw.) auch weitergehende Informationen, etwa zum Inhalt des Artikels, den handelnden Personen und/oder geographische Bezüge erfasst und entsprechend eines Schlagwort-Thesaurus‘ kategorisiert.
Im Projektverlauf ist so neben der eigentlichen Artikeldatenbank auch eine ca. 2.000 Personen umfassende Personendatenbank entstanden. Diese sind von zunehmender Bedeutung, da man anhand von Ihnen Karriereverläufe, besonders von bisher unbekannten Funktionsträgern der mittleren staatlichen- oder Parteiebenen nachverfolgen oder räumlich-zeitliche Zusammenhänge analysieren lassen.
Derzeit sind in der Datenbank ca. 34.000 Zeitungsartikel der Jahrgänge 1930 bis 1938 frei recherchierbar. Gegenüber einer Volltextsuche biete die Datenbank den Vorteil, dass sie durch ihre gezielten Recherchemöglichkeiten quasi einen Filter setzt und den zeitraubenden Aufwand der Relevanzbestimmung erheblich verringert.
4. Literatur
- Christoph Hanzig; Martin Käseberg; Thomas Lindenberger; Michael Thoß, Tiefenerschließung des „Mustergaus“ Sachsen - Die Datenbank zur Dresdner Tageszeitung Der Freiheitskampf (1930–1945). In: Markus Stumpf; Hans Petschar; Oliver Rathkolb (Hg.), Nationalsozialismus digital – Die Verantwortung von Bibliotheken, Archiven und Museen sowie Forschungseinrichtungen und Medien im Umgang mit der NS-Zeit im Netz (Göttingen 2021) S. 329–342.
- Christoph Hanzig; Martin Munke; Michael Thoß, Digitising and Presenting a Nazi Newspaper - The example "Der Freiheitskampf". In: Estelle Bunout; Frédéric Clavert; Maud Ehrmann (Hg.), Digitised Newspapers – A New Eldorado for Historians? - Reflections on Tools, Methods and Epistemology (Berlin/Boston 2023) S. 153–172.
- Christoph Hanzig; Michael Thoß, "Rotmord" vor Gericht. Politisch motivierte Tötungsdelikte in Sachsen im Spiegel der NS-Tageszeitung "Der Freiheitskampf" von 1931 bis 1936. In: Gerhard Lindemann; Mike Schmeitzner (Hg.), ... da schlagen wir zu. Politische Gewalt in Sachsen 1930-1935. Berichte und Studien 78 (Göttingen 2019) S. 193–227.
- Christoph Hanzig; Michael Thoß, Nationalsozialistische Presse als digitale Quelle für die Geschichtswissenschaft. Das Thema „Rassenhygiene“ in der Datenbank zur sächsischen NS-Tageszeitung „Der Freiheitskampf“. In: Martin Munke (Hg.), Landes- und Regionalgeschichte digital. Angebote – Bedarfe – Perspektiven (Dresden 2022) S. 115–131.
- Christiane Steigel; Manja Preissler, Datenbank zur Dresdner Tageszeitung der NSDAP für den Gau Sachsen "Freiheitskampf". Manuskript (Dresden 2015) .